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Anton Alexander Graf von Auersperg (Anastasius Grün)
Der alte Komödiant
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Der Vorhang rauscht und fliegt empor, |
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Ein alter Gaukler tritt hervor, |
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Mit Flitter seltsam ausstaffiert, |
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Sein ehrlich Antlitz rot beschmiert. |
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Du alter Mann mit dem weißen Haar, |
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Wie dauerst du mich im Herzen gar, |
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Der du vorm Grabe gaukelnd springst, |
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Damit du vom Pöbel ein Lächeln erzwingst! |
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Ein Lächeln über ein greises Haar, |
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Und über die nahe Totenbahr'! |
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Dies eines Lebens höchster Preis! |
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Des deinen, armer, armer Greis! |
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Des Greises Hirn ist schwach und alt, |
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Der Liebsten selbst vergißt er bald; |
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Du aber zwängst mit Müh' und Pein |
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Noch eitlen Floskelkram hinein. |
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Des Greises Arm ist abgespannt, |
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Man sieht nur noch die müde Hand |
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Zum Segen für Kind und Enkel erhöht |
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Und fromm gefaltet zum Gebet. |
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Doch deine Hand schlägt fort und fort |
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Den tollen Takt zu wüstem Wort, |
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Und all' die Mühe, armer Mann, |
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Damit der Pöbel lachen kann. |
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Und schmerzt dich auch dein morsch Gebein, |
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Ei was, 's ist längst ja nimmer dein! |
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Du magst wohl weinen, alter Mann, |
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Wenn nur die Menge lachen kann! |
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Der Greis sich in den Lehnstuhl setzt, |
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Ei, wie das seine Glieder letzt! |
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»Der macht sich's auch bequem, fürwahr!« |
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So murmelt's spöttisch durch die Schar. |
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Mit leisem abgebrochnen Ton |
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Beginnt er mühsam seinen Sermon. |
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»Der hält nun auch kein Schlagwort mehr!« |
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So zürnt es strafend ringsumher. |
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Der Greis lallt nur manch tonlos Wort, |
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Die Stimme bebt, es will nicht fort; |
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Noch ist sein Spruch nicht ganz heraus, |
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Da schweigt er, als ging sein Atem aus. |
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Das Glöcklein schellt, der Vorhang sinkt, |
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Wer ahnt's, daß ein Totenglöcklein klingt? |
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Die Menge trommelt und pfeift dabei, |
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Wer ahnt's, daß ein Leichenlied dies sei? |
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Der Alte lehnt im Stuhle tot, |
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Doch Leben heuchelt der Schminke Rot, |
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Die auf dem Antlitz blaß und kalt, |
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Wie eine große Lüge, prahlt. |
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Sie blieb auf des Alten Angesicht, |
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Wie eine Grabschrift, die da spricht, |
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Daß alles Lug und Trug und Dunst, |
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Sein Leben, Treiben, seine Kunst! |
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Sein Wald, gemalt auf Leinwand grün, |
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Rauscht über sein Grab nicht klagend hin! |
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Es ist sein ölgetränkter Mond |
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Um Tote zu weinen nicht gewohnt. |
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Die Kunstgenossen umstehn den Greis, |
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Und einer spricht zu seinem Preis: |
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»Heil ihm, denn, traun, ein Held ist der, |
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Der auf dem Schlachtfeld fiel wie er!« |
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Ein Gauklerdirnlein als Muse gar |
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Legt dann dem Greis ins Silberhaar |
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Den grünpapiernen Lorbeerkranz, |
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Vom vielen Gebrauch zerknittert ganz. |
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Zwei Männer sind sein Leichenzug, |
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Die sind, den Sarg zu tragen, genug; |
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Und als sie ihn zu Grabe gebracht, |
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Hat niemand geweint und niemand gelacht. |