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Ludwig Uhland
Die Döffinger Schlacht
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Am Ruheplatz der Toten, da pflegt es still zu sein, |
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Man hört nur leises Beten bei Kreuz und Leichenstein; |
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Zu Döffingen war's anders: dort scholl den ganzen Tag |
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Der feste Kirchhof wieder von Kampfruf, Stoß und Schlag. |
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Die Städter sind gekommen, der Bauer hat sein Gut |
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Zum festen Ort geflüchtet und hält's in tapfrer Hut; |
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Mit Spieß und Karst und Sense treibt er den Angriff ab. |
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Wer tot zu Boden sinket, hat hier nicht weit ins Grab. |
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Graf Eberhard der Greiner vernahm der Seinen Not: |
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Schon kommt er angezogen mit starkem Aufgebot, |
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Schon ist um ihn versammelt der besten Ritter Kern, |
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Vom edeln Löwenbunde die Grafen und die Herrn. |
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Da kommt ein reis'ger Bote vom Wolf von Wunnenstein: |
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»Mein Herr mit seinem Banner will euch zu Dienste sein.« |
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Der stolze Graf entgegnet: »Ich hab sein nicht begehrt, |
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Er hat umsonst die Münze, die ich ihm einst verehrt.« |
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Bald sieht Herr Ulrich drüben der Städter Scharen stehn, |
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Von Reutlingen, von Augsburg, von Ulm die Banner wehn. |
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Da brennt ihn seine Narbe, da gärt der alte Groll: |
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»Ich weiß, ihr Übermüt'gen, wovon der Kamm euch schwoll.« |
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Er sprengt zu seinem Vater: »Heut zahl ich alte Schuld, |
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Will's Gott, erwerb ich wieder die väterliche Huld! |
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Nicht darf ich mit dir speisen auf einem Tuch, du Held! |
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Doch darf ich mit dir schlagen auf einem blut'gen Feld.« |
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Sie steigen von den Gaulen, die Herrn vom Löwenbund, |
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Sie stürzen auf die Feinde, tun sich als Löwen kund. |
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Hei! wie der Löwe Ulrich so grimmig tobt und würgt! |
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Er will die Schuld bezahlen, er hat sein Wort verbürgt. |
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Wen trägt man aus dem Kampfe, dort auf den Eichenstumpf? |
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»Gott sei mir Sünder gnädig!« – er stöhnt's, er röchelt's dumpf. |
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O königliche Eiche, dich hat der Blitz zerspellt! |
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O Ulrich, tapfrer Ritter, dich hat das Schwert gefällt! |
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Da ruft der alte Recke, den nichts erschüttern kann: |
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»Erschreckt nicht! der gefallen, ist wie ein andrer Mann. |
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Schlagt drein! die Feinde fliehen!« – er ruft's mit Donnerlaut; |
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Wie rauscht sein Bart im Winde! hei, wie der Eber haut! |
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Die Städter han vernommen das seltsam list'ge Wort. |
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»Wer flieht?« so fragen alle; schon wankt es hier und dort. |
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Das Wort hat sie ergriffen gleich einem Zauberlied: |
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Der Graf und seine Ritter durchbrechen Glied auf Glied. |
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Was gleißt und glänzt da droben und zuckt wie Wetterstein? |
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Das ist mit seinen Reitern der Wolf von Wunnenstein. |
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Er wirft sich auf die Städter, er sprengt sich weite Bucht, |
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Da ist der Sieg entschieden, der Feind in wilder Flucht. |
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Im Erntemond geschah es, bei Gott, ein heißer Tag! |
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Was da der edeln Garben auf allen Feldern lag! |
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Wie auch so mancher Schnitter die Arme sinken läßt! |
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Wohl halten diese Ritter ein blutig Sichelfest. |
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Noch lange traf der Bauer, der hinterm Pfluge ging, |
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Auf rost'ge Degenklinge, Speereisen, Panzerring; |
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Und als man eine Lind zersägt und niederstreckt, |
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Zeigt sich darin ein Harnisch und ein Geripp versteckt. |
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Als nun die Schlacht geschlagen und Sieg geblasen war, |
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Da reicht der alte Greiner dem Wolf die Rechte dar: |
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»Hab' Dank, du tapfrer Degen, und reit mit mir nach Haus! |
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Daß wir uns gütlich pflegen nach diesem harten Strauß.« |
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»Hei!« spricht der Wolf mit Lachen, »gefiel Euch dieser Schwank? |
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Ich stritt aus Haß der Städte und nicht um Euren Dank. |
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Gut' Nacht und Glück zur Reise! es steht im alten Recht.« |
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Er spricht's und jagt von dannen mit Ritter und mit Knecht. |
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Zu Döffingen im Dorfe, da hat der Graf die Nacht |
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Bei seines Ulrichs Leiche, des einz'gen Sohns, verbracht. |
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Er kniet zur Bahre nieder, verhüllet sein Gesicht; |
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Ob er vielleicht im stillen geweint, man weiß es nicht. |
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Des Morgens mit dem Frühsten steigt Eberhard zu Roß, |
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Gen Stuttgart fährt er wieder mit seinem reis'gen Troß, |
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Da kommt des Wegs gelaufen der Zuffenhauser Hirt; |
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»Dem Mann ist's trüb zumute, was der uns bringen wird?« |
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»Ich bring euch böse Kunde, nächt ist in unsern Trieb |
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Der gleißend' Wolf gefallen: er nahm, so viel ihm lieb.« |
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Da lacht der alte Greiner in seinen grauen Bart: |
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»Das Wölflein holt sich Kochfleisch, das ist des Wölfleins Art.« |
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Sie reiten rüstig fürder, sie sehn aus grünem Tal |
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Das Schloß von Stuttgart ragen, es glänzt im Morgenstrahl, |
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Da kommt des Wegs geritten ein schmucker Edelknecht; |
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»Der Knab will mich bedünken, als ob er Gutes brächt.« |
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»Ich bring' euch frohe Märe: Glück zum Urenkelein! |
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Antonia hat geboren ein Knäblein, hold und fein.« |
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Da hebt er hoch die Hände, der ritterliche Greis: |
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»Der Fink hat wieder Samen, dem Herrn sei Dank und Preis!« |