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Wilhelm Müller
Der kleine Hydriot
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Ich war ein kleiner Knabe, stand fest kaum auf dem Bein, |
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Da nahm mich schon mein Vater mit in das Meer hinein, |
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Und lehrte leicht mich schwimmen an seiner sichern Hand, |
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Und in die Fluten tauchen bis nieder auf den Sand. |
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Ein Silberstückchen warf er dreimal ins Meer hinab, |
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Und dreimal mußt ich's holen, eh er's zum Lohn mir gab. |
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Dann reicht' er mir ein Ruder, hieß in ein Boot mich gehn, |
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Er selber blieb zur Seite mir unverdrossen stehn, |
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Wies mir, wie man die Woge mit scharfem Schlage bricht, |
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Wie man die Wirbel meidet und mit der Brandung ficht. |
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Und von dem kleinen Kahne ging's flugs ins große Schiff, |
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Es trieben uns die Stürme um manches Felsenriff. |
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Ich saß auf hohem Maste, schaut über Meer und Land, |
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Es schwebten Berg' und Türme vorüber mit dem Strand. |
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Der Vater hieß mich merken auf jedes Vogels Flug, |
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Auf aller Winde Wehen, auf aller Wolken Zug; |
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Und bogen dann die Stürme den Mast bis in die Flut, |
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Und sprützten dann die Wogen hoch über meinen Hut, |
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Da sah der Vater prüfend mir in das Angesicht – |
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Ich saß in meinem Korbe und rüttelte mich nicht – |
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Da sprach er, und die Wange ward ihm, wie Blut, so rot: |
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Glück zu, auf deinem Maste, du kleiner Hydriot! – |
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Und heute gab der Vater ein Schwert mir in die Hand, |
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Und weihte mich zum Kämpfer für Gott und Vaterland. |
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Er maß mich mit den Blicken vom Kopf bis zu den Zehn, |
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Mir war's, als tät sein Auge hinab ins Herz mir sehn. |
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Ich hielt mein Schwert gen Himmel, und schaut ihn sicher an, |
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Und deuchte mich zur Stunde nicht schlechter, als ein Mann. |
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Da sprach er, und die Wange ward ihm, wie Blut, so rot: |
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Glück zu, mit deinem Schwerte, du kleiner Hydriot! |