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Lenau (Nikolaus Edler Niembsch von Strehlenau)
Der Raubschütz
Nach einer Sage
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Der alte Müller Jakob sizt |
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Allein beim Glase Wein; |
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Schwarzmitternacht, nur manchmal blizt |
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Ein Wetterstrahl herein; |
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Das Mühlrad saust, es braust der Wind; |
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Doch schlafen ruhig Weib und Kind. |
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Der Alte thut manch raschen Zug, |
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Er denkt an Zeit und Tod. |
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Wie draußen jagt des Sturmes Flug, |
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So jagen Lust und Noth, |
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Die längst begrabnen, neuerwacht, |
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Ihm durch die Brust in dieser Nacht. |
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Die Thür geht auf, er fährt empor: |
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Wer kommt zu solcher Stund? |
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Ein Weidmann mit dem Feuerrohr, |
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Mit seinem Stöberhund, |
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Hahnfeder, Gamsbart auf dem Hut, |
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Das grüne Wamms befleckt mit Blut. |
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Der Müller starrt, zurückgebeugt, |
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Dem Jäger in's Gesicht, |
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Sein Haar entsezt zu Berge fleugt, |
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Sein Blut zum Herzen kriecht: |
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Der Raubschütz ist's, der wilde Kurd, |
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Der jüngst im Wald erschossen wurd. |
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Der finstre Jäger an die Wand |
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Auf Jakobs Büchse winkt; |
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Der preßt sein Glas in zager Hand, |
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Daß es in Scherben springt; |
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Gehorchend nimmt er sein Gewehr |
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Und schleicht dem Grausen hinterher. |
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Sie streifen in den Wald hinaus, |
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Nach süßem Wildesraub; |
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Stets lauter wird der Winde Braus, |
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Der Pfade dürres Laub. |
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Der Jäger ruft voll heißer Gier: |
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»Komm, Bruder, jagen, jagen wir!« |
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Sie zieh'n fort, fort im finstern Wald |
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Durch Strupp und Strom gar frisch, |
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Das Wild schrickt auf, die Büchse knallt, |
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Der Stöbrer im Gebüsch |
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Rauscht mit arbeitendem Geruch, |
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Der Jäger ruft: such, Hundel, such! |
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Doch an des Walds geheimstem Ort, |
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Auf seinem liebsten Stand, |
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Wo jüngst die Kugel ihn durchbohrt, |
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Aus meuchlerischer Hand, |
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Da bleibt er stehn, und donnert: »schau! |
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Hier schoß er mich wie eine Sau!« |
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Es ächzt der Wald im Sturm, verzagt, |
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Vom Monde jezt erhellt; |
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Der kühn gewordne Müller fragt: |
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Was ist's in jener Welt? |
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Da murmelt trüben Angesichts |
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Der Jägersmann: »es ist halt nichts!« |